In einem Vektorraum kann man Vektoren verknüpfen - klar. Diese Verknüpfung wird normalerweise mit dem Zeichen + bezeichnet.
Welchen Sin soll es haben, zwei Vektoren zu multiplizieren und was soll dabei heraus kommen?
Es gibt grundsätzlich folgende sinnvolle Möglichkeiten:
x steht für die jeweilige Verknüpfung, es ist jedesmal eine andere gemeint!
Wir können Längen messen mit Hilfe der Vektornotation.
Wir können keine Winkel messen, d.h. grundsätzliche Dinge wie orthogonal oder parallel müssen wir in Einzelfällen nachrechnen, auch haben wir “den” Winkel zwischen Vektoren noch nicht definiert.
Betrachten wir folgendes Vektordreieck, das durch seine Höhe in zwei Dreiecke aufgeteilt wird:
Wir kümmern uns um das Dreieck 1: Es ist offensichtlich rechtwinklig nach Konstruktion und hat die Seitenlängen:
Dabei bedeutet \(a = \left| {\overrightarrow {a\,} } \right|\), also die Länge des Vektors \(\overrightarrow a\) und \(b = \left| {\overrightarrow {b\,} } \right|\), die Länge des Vektors \(\overrightarrow b\).
Im Dreieck 2 sieht es ähnlich aus:
Im Dreieck 2 wendet man jetzt den Satz des Pythagoras an:
$$ \left| {\overrightarrow a - \overrightarrow {b\,} } \right|^2=(a - b\cdot \cos \alpha)^2+(b\cdot \sin \alpha)^2$$
\[\left| {\overrightarrow a - \overrightarrow {b\,} } \right|^2 = a^2-2ab\cos \alpha + b^2 (\cos \alpha)^2+b^2(\sin \alpha)^2\]
\[\left| {\overrightarrow a - \overrightarrow {b\,} } \right|^2 = a^2+b^2-2ab\cos \alpha\]
Setzt man für die Vektoren im \({\mathbb{R}^3}\) jetzt die Koordinatendarstellungen mit den üblichen Bezeichnungen ein, so erhält man:
$$ {({a_1} - {b_1})^2} + {({a_2} - {b_2})^2} + {({a_3} - {b_3})^2} $$
\[=\]
\[a_1^2 + a_2^2 + a_3^2 + b_1^2 + b_2^2 + b_3^2 - 2ab \cdot \cos\alpha\]
Nach Vereinfachung (Bitte zur Übung nachrechnen! ) kann man nach \(\cos\alpha\) auflösen:
\[\cos \alpha = \frac{{{a_1}{b_1} + {a_2}{b_2} + {a_3}{b_3}}}{{a \cdot b}} = \frac{{{a_1}{b_1} + {a_2}{b_2} + {a_3}{b_3}}}{{\left| {\overrightarrow {a\,} } \right| \cdot \left| {\overrightarrow {b\,} } \right|}}\]
Es sollte klar sein, dass keiner der beiden beteiligten Vektoren der Nullvektor sein sollte, solange es um die Anschauung geht (Wir besprechen hier Dreiecke!).
Der Zähler liefert die Idee einer sinnvollen Definition des Skalarprodukts zweier Vektoren aus \({\mathbb{R}^3}\):
Sind \(\overrightarrow a = \left( {\begin{array}{*{20}{c}}{{a_1}}\\{{a_2}}\\{{a_3}}\end{array}} \right)\) und \(\overrightarrow b = \left( {\begin{array}{*{20}{c}}{{b_1}}\\{{b_2}}\\{{b_3}}\end{array}} \right)\) zwei Vektoren aus \({\mathbb{R}^3}\), so heisst
\[\overrightarrow a \circ \overrightarrow b = \left( {\begin{array}{*{20}{c}}{{a_1}}\\{{a_2}}\\{{a_3}}\end{array}} \right) \circ \left( {\begin{array}{*{20}{c}}{{b_1}}\\{{b_2}}\\{{b_3}}\end{array}} \right) = {a_1}{b_1} + {a_2}{b_2} + {a_3}{b_3} = \sum\limits_{i = 1}^3 {{a_i}} \cdot {b_i}\]
das (Standard)Skalarprodukt der beiden Vektoren.
Was soll das Ganze? Nun, das Skalarprodukt liefert in einem anschaulichen Sinne den “Anteil” des einen Vektors in Richtung des anderen Vektors. Man nennt das auch eine Projektion des einen Vektors in Richtung des anderen Vektors. Diese Projektoren sind in der Physik enorm wichtig. Genauer verstehen kann man das, wenn man sich zunächst die Extremfälle anschaut:
Dann ist \(\cos \alpha = \cos 0 = 1\) und Zähler und Nenner in obigem Bruch sind gleich!
Also gilt
\[\overrightarrow a \circ \overrightarrow b = \left| {\overrightarrow {a\,} } \right| \cdot \left| {\overrightarrow {b\,} } \right| = a \cdot b\]
und das Skalarprodukt ist nichts anderes als die Multiplikation zweier Skalare, nämlich der Längen der beiden Vektoren. Sozusagen der “einfachste” Fall, man bräuchte keine Vektorennotation.
Dann ist \(\cos \alpha = \cos 180 = -1\) und Zähler und Nenner in obigem Bruch sind gegengleich!
Also gilt
\[\overrightarrow a \circ \overrightarrow b = -\left| {\overrightarrow {a\,} } \right| \cdot \left| {\overrightarrow {b\,} } \right| = -a \cdot b\]
Erinnert ein wenig an die Multiplikation einer negativen und einer positiven Zahl? Soll es auch :-)!
Dann ist \(\cos \alpha = \cos 90 = 0\) und der Zähler in obigem Bruch ist gleich Null!
Also gilt
\[\overrightarrow a \circ \overrightarrow b = {a_1}{b_1} + {a_2}{b_2} + {a_3}{b_3}=0\]
Achtung: Die Summe muss Null ergeben, es muss nicht jeder Summand exakt Null ergeben!
Und das Beste kommt zum Schluss: Dieser Sachverhalt gilt auch umgekehrt!
$$\overrightarrow a \circ \overrightarrow b = 0 \Leftrightarrow \overrightarrow a \bot \overrightarrow b $$
Die oben genannten Projektoren werden jetzt auch klarer: Zeigen beide Vektoren in dieselbe oder entgegengesetzte Richtung ist der Projektor jeweils der “ganze” zweite Vektor. Man landet bei der Skalarmultiplikation - dem einfachsten Fall.
In allen anderen Fällen ist der Projektor ein “Teil”, man könnte auch sagen der “Schatten” des zweiten Vektors (in Richtung des ersten Vektors).
Die Definition für \({\mathbb{R}^2}\) und \({\mathbb{R}^1}\) bekommt man geschenkt. Man muss nur eine bzw. zwei Zeilen weglassen. Im \({\mathbb{R}^1}=\mathbb{R}\) stimmt die Definition mit der Multiplikationsdefinition überein.
Für mehr als drei Dimensionen im \({\mathbb{R}^n}\) muss man Zeilen hinzufügen ….